Mikrofonierung im Auto  

Herausforderungen und Erfahrungswerte

AUTOR: Matthias Richter, Production Sound Mixer

Fotos: Matthias Richter, André Zacher


Dialogaufnahmen im Auto stellen uns Set-Tonmeister bei Film-Dreharbeiten immer wieder vor ganz eigene Herausforderungen:

  • für eine gute Sprachverständlichkeit muss der Signalabstand Sprache-Fahrgeräusch möglichst groß sein - das Mikrofon also dicht am Mund des Schauspielers positioniert werden
  • die Mikros müssen (nahezu) unsichtbar verbaut werden
  • ein Umbau muss sehr schnell möglich sein, um sich an ändernde Kameraeinstellungen anpassen zu können
  • die bei den Dreharbeiten zum Einsatz kommenden Spielfahrzeuge haben jeweils verschiedene Oberflächen-Materialien und unterschiedliche Montage-Punkte zum befestigen der Mikrofone
  • oft sind zwei Kameras parallel im Einsatz, wodurch das "Verstecken" der Mikrofone zusätzlich erschwert wird
  • Kopf- und Körperbewegungen der Schauspieler können nicht wie beim Angeln ausgeglichen werden, entsprechend können zusätzliche "Stützen" notwendig sein
  • offene Fenster erschweren die Tonaufnahme zusätzlich, Lärm oder auch Hall von außen beeinträchtigen die Tonaufnahmen, der bei realen Fahrten notwendige Windschutz vergrößert das zu versteckende Mikrofon

 

Hier wollen wir Euch ein paar Ideen und Anregungen geben.

Vorgestellt werden im Folgenden:

Bei Dialog-Aufnahmen in Fahrzeugen gibt es mehrere grundsätzliche Positionen der Mikrofonierung:

  • von unten - aus Richtung Mittelkonsole kommend
  • von oben - die Verdeckung der Sonnenblenden bzw. des Rückspiegels nutzend
  • von vorn - mittels Saugnapfhalterungen aus Richtung Frontscheibe

Bei selbstfahrenden Schauspielern empfiehlt sich meiner Erfahrung nach zumindest für den Fahrer die Mikrofonierung von oben. Das Mikrofon im Bereich von Schaltknauf, Handbremse oder Lenkrad ist beim Selbstfahrer immer potentiell der Gefahr von (unbeabsichtigten) Berührungen und der akustischen Verdeckung durch Armbewegungen ausgesetzt.

Abgesehen davon ist die Behinderung des Schauspielers beim Fahren eine Gefahrenquelle, der man sich als Tonmeister, aus meiner Sicht, gar nicht erst aussetzen sollte. Kommt es trotz vorheriger Abnahme der Mikrofonposition zu einem Unfall, wird es zumindest Diskussionen geben, warum "der Ton" seine Mikros dort eingebaut hat.

Die Mikrofonierung von unten bedeutet für das Tonteam nach meiner Erfahrung generell auch mehr Kontroll-Aufwand. Nach jedem Ein- und Aussteigen der Schauspieler, nach jedem Nachjustieren der Kamera- und Lichtpositionen, muss kontrolliert werden, ob sich die Position des Mikrofons nicht verändert hat.

Es gibt natürlich Kameraeinstellungen, die einen Einbau der Mikrofone im oberen Bereich schwierig machen. Ein seitlicher "2-shot" wird tendenziell beim hinteren Schauspieler die Sonnenblende zumindest ankratzen. Hier wäre eine Mikrofonierung von der Beifahrer-Sonnenblende oder im Bereich des Rückspiegels möglich.

Um keinen Zentimeter zu verschenken, kann es sinnvoll sein, eine variable Schiene zu benutzen. Diese wird auf der Rückseite der Sonnenblende fixiert, kann aber in Länge und Winkel verändert werden, so dass das Mikrofon im perfekten Spot landet. 

Wie immer sind hier Kreativität und Ideenreichtum gefragt: der CMC 1 KV ist ein Verstärker für die Kapseln der MK-Serie, der in seinem Gehäuse magnetisches Stahl integriert hat. Dadurch lässt sich der CMC 1 KV an magnetischen Teilen befestigen. Das seitlich austretende Kabel verkleinert die Bauform zusätzlich und ermöglicht so eine ebene Rückseite des Verstärkers.

Eine Möglichkeit ist das Verwenden eines Winkelmessers oder Winkels aus Stahl. Der "Body" kann z. B. mit Silikon-Pads auf der Sonnenblende fixiert werden und am Ende des Stahllineals wird ein CMC 1 KV mittels Magnet in Position gebracht. Das Lineal kann zusätzlich am "Himmel" des Autos mit Nadeln fixiert werden (vorher an einer unauffälligen Stelle testen, dass man das Einstichloch hinterher nicht sieht).

Für eine optimale Entkopplung empfiehlt sich natürlich eine (DIY) Aufhängung. Oft sind aber selbst diese zusätzlichen 2 cm schon zu viel, um das Mikrofon für das Kamerabild unsichtbar zu positionieren.

 

Lässt es das Spielfahrzeug zu, kann man beispielsweise auch ein dünnes Stahlplättchen auf einem Stück Moosgummi befestigen und dieses wiederum mit 4 Nadeln an jeder beliebigen Stelle des "Himmels" fixieren. Gerade für Schauspieler im Fond des Fahrzeugs eine mögliche Variante.
Auf den Rücksitzen kann man aber natürlich auch die Verdeckung der Vordersitze ausnutzen, um oben genanntes Stahlplättchen an der Rückseite der Kopfstütze anzubringen.
Wie immer gilt: Material VORHER testen und gerade bei historischen Fahrzeugen mit dem Car Wrangler absprechen.

 

Eine sehr kompakte und daher für extrem schnelles Einbauen geeignete Variante ist der CMC 1 SO. Dieser Verstärker mit integriertem, biegsamem Schwanenhals lässt sich direkt über einen kompatiblen Sender mit P48 speisen.

 

Aber selbst ein CMC 6 Verstärker lässt sich in Kombination mit einem GVC-Kapselgelenkstück sehr gut in der Sonnenblende verstecken. Der zusätzliche CUT 60 Filter reduziert die ungewünschten Frequenzen des Körperschalls noch bevor das Signal in den Eingang des Senders gelangt.

Ergibt sich durch die Kameraposition extrem wenig Spielraum für die Positionierung des Mikrofons im Bereich der Sonnenblende, bleibt oft nur der Einbau des "nackten" Mikrofons mittels Bostik oder "Sticky Stuff". Diese klebrigen Materialien lassen sich rückstandsfrei entfernen und halten das Mikrofon in Position.

Bei Einstellungen von der Rückbank (over-shoulder) sind die Sonnenblenden oft mit im Bild. Hier ist eine Mikrofonierung (wenn überhaupt) nur von unten möglich. Kleine Magic-Arme sind hier sehr nützlich. Diese können mit entsprechenden Schraubklemmen z. B. an der Handbremse oder anderen stabilen Punkten montiert und ausgerichtet werden. Hier ist die Verwendung von Mikrofon-Aufhängungen zu empfehlen, weil ansonsten zu viel Körperschall vom Fahrzeug auf das Mikrofon übertragen wird. Die geringe Bauform des CMC 1 L Verstärkers mit Kapsel (oder CCM-Mikrofon), kombiniert mit einer MINIX-Aufhängung von CINELA, ergeben eine sehr kompakte Lösung, für die in der Regel eine gute Position gefunden werden kann.

Falls das Spielfahrzeug über Getränkehalter-Aussparungen im Bereich der Mittelkonsole verfügt, kann auch eine modifizierte Handyhalterung als Basis für die Mikrofonierung dienen.

 

Für Aufnahmen im Studio (oder in geparkten Autos) kann der Abstand zum Mikrofon durchaus etwas größer ausfallen. Da man hier nicht gegen die Fahrgeräusche ankämpfen muss, ist der limitierende Faktor eher die Raumakustik des Spielfahrzeugs.

 

Ein CCM 4 (oder CMC 1 L + MK 4) aus Richtung Frontscheibe (montiert auf einem Saugfuß) kann hier hervorragende Ergebnisse erzielen. Die Abdeckung der Niere nach vorn ist weiter und verzeiht dadurch mehr Bewegung der Schauspieler. Eine MK 41 Superniere würde sich hier aufgrund der rückwärtigen Empfindlichkeit unter Umständen eine ungewünschte Reflektion über die Windschutzscheibe einfangen.

 

Wird der Film mit offenen Fenstern gedreht, kommen zusätzliche Anforderungen hinzu:

Funktionierender Windschutz wird hier zum Thema. Deshalb sollten nur die notwendigen Fenster geöffnet sein, um Durchzug zu vermeiden, der extrem schwer in den Griff zu bekommen ist.
Als erste Maßnahme empfiehlt sich die Mikrofonierung von unten, aus dem Bereich der Mittelkonsole, um die Mikrofone durch den natürlichen Windschatten der Autotüren vor dem Fahrtwind zu schützen.

Als Windschutz gibt es aktuelle keine maßgeschneiderte Variante, aber zwei Produkte der Firma Bubblebee Industries kann ich empfehlen:

  • Der Windkiller 4018 lässt die flache Rückseite des CMC 1 KV frei, so dass man auch mit Windschutz die Möglichkeit der Magnethalterung nutzen kann.
  • Der Windkiller 4097 ist etwas größer und umschließt sowohl den CMC 1 KV als auch den CMC 1 SO vollständig.

 

Schwieriger wird es, wenn die Szene eigentlich geschlossene Fenster erzählt, aber die Kamera für eine seitliche Einstellung durch das geöffnete Seitenfenster in das Auto hineinragt. Hier kann nur in Zusammenarbeit mit den beteiligten Abteilungen (Kamera, Licht, Grip) im VORFELD versucht werden, durch bauliche Maßnahmen die Fahrgeräusche zu minimieren. Eine Möglichkeit wäre eine stärkere Plexiglasscheibe, die passgenau auf die Öffnung des Seitenfensters angefertigt wird und in die für das Kameraobjektiv eine minimal große Öffnung geschnitten wird. Das setzt aber eine sehr genaue, frühzeitige Planung und Vorbereitung voraus.
 

Viel Spass bei den nächsten Fahraufnahmen - vielleicht hilft Euch ja der ein oder andere Tipp.

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